Kirche hat nicht unbedingt nur etwas mit dem gleichnamigen Bauwerk zu tun, wie auch Pfarrer Simon anläßlich des Tages des offenen Denkmals erwähnte, sondern viel mehr mit den Menschen, die sie besuchen. Richtig.
Besuchen Menschen eine Kirche, noch dazu die Kirche ihrer eigenen Gemeinde, ihres Wohnortes, ihrer Heimat, so hat das auch immer mit den eigenen Gefühlen und Empfindungen zu tun. Diese bleiben schließlich nicht draussen vor der Tür. Um so mehr ist es wichtig, diese Gefühle und Empfindungen zu respektieren und nicht zu verletzen.
Was hat das mit dem Umbau und der Sanierung von Sankt Gertraud zu tun?
Mit dem Umbau und der Sanierung von Sankt Gertraud erfährt die Kirche eine Funktionsänderung. Nunmehr soll sie auch als zentrales Bauwerk innerhalb eines zu errichtenden Lapidariums dienen, welches der Öffentlichkeit mit musealem Charakter in erhöhtem Maße zur Verfügung steht.
Am Tag des offenen Denkmals am 12. September 2010 hatte man nun die Möglichkeit, die Baustelle der Salbker Kirche zu besichtigen. Alle Besucher warteten schon sehr gespannt, dass ihnen Einlass gewährt wurde.
Der Innenraum der Kirche erstrahlte in kräftigen frischen Farben. So hatten die Anwesenden St. Gertraud noch nie gesehen, war doch der Zustand der Kirche jahrzehntelang sehr marode.
Durch die Nutzungsänderung war es u.a. notwendig, wesentlich in die Bausubstanz einzugreifen und unterhalb der Seitenfenster mehrere Öffnungen zu schaffen. Diese sollen einen Zugang zu den innenliegenden Exponaten gewährleisten. Für viele ist noch schwer vorstellbar, welches Erscheinungsbild die Kirche später einmal haben wird, hat sie doch nunmehr wenig mit dem zu tun, was die Menschen von St. Gertraud kannten. So gäbe es noch vieles zu berichten...
Von sehr großem Interesse war die Präsentation möglicher neuer Kirchenfenster für den Altarraum.
Der Glasgestalter Günter Grohs aus Wernigerode hatte sich mit seinen Entwürfen angekündigt. Der Künstler lieferte den Anwesenden Begründungen aus künstlerischer Sicht, warum die alten Fenster farbgestalterisch im Hinblick auf den Lichteinfall nicht mehr zu verwenden seien. Die anwesenden Personen lauschten überwiegend stumm den Ausführungen des Glasgestalters.
In der Tat - bei der Projekterstellung hatte man in punkto Farbgestaltung augenscheinlich die alten sakralen Fenster absichtlich oder unabsichtlich, auf jeden Fall fatalerweise, nicht mit in die Planung einbezogen. So erscheint nun speziell der Altarraum im Gegensatz zum Umfeld, als etwas zu dunkel in erdig- bzw. terracottafarbenden Tönen. Neue moderne Fenster sollen demzufolge die etwas dunkle Farbgestaltung wieder aufhellen. Die neuen Entwürfe sind geprägt von motivlosen Mustern in Glas von guter farblicher Abstimmung. Ähnliche künstlerische Glasgestaltungen wären auch in an anderen öffentlichen Gebäuden sehr gut vorstellbar, da ein sakraler Bezug vollkommen fehlt.
Die Glasarbeiten der alten Fenster von Sankt Gertraud stellen die Geburt Jesu, die Speisung der Fünftausend, die Bergpredigt und die Kreuzigung dar. Sie gehen auf einen Entwurf von W. Ritterbach zurück und wurden von der Glasmalereianstalt Ferdinand Müller ausgeführt. Während des zweiten Weltkrieges wurden die Fenster abgebaut und sicher gelagert worden, so dass sie nach Kriegsende unversehrt wieder eingesetzt werden konnten.
Das Wichtigste:
Der Charakter der alten Darstellungen spiegelt den sakralen Charakter von St. Gertraud wieder. Die Menschen haben diese Bildnisse in ihr Herz geschlossen.
Diese Tatsache wurde demnach bei der neuen Gestaltung nicht beachtet oder unterschätzt - die Wortmeldungen am Ende der Präsentation zielten überwiegend, auch unter spontanen Beifallsbekundungen, in die gleiche Richtung:
Die alten Fenster mit ihrer sakralen Gestaltung gehören einfach zu St. Gertraud und geben dieser Kirche erst ihre Identität. Sankt Gertraud bedeutet für viele Menschen Lebens-Mittelpunkt und ist zentraler Ort für ihre Besinnung und zentraler Ort ihrer persönlichen Erinnerung. Vieles wurde nun und wird noch erneuert werden. Die Salbker Kirche, ohne ihre alte Glaskunst - für die meisten unvorstellbar. Sankt Gertraud wäre nicht mehr Sankt Gertraud.
Wie gesagt:
Besuchen Menschen eine Kirche, noch dazu die Kirche ihrer eigenen Gemeinde, ihres Wohnortes, ihrer Heimat, so hat das auch immer mit den eigenen Gefühlen, Empfindungen zu tun. Diese bleiben schließlich nicht draussen vor der Tür.